Peter Georg Meyndt

Erzählt von Johanna Leonhardt, geb. Stolz 

 

Auf meinen Wunsch, von denen, die vor mir waren, mehr zu erfahren, erzählten mir meine Großeltern dies und das aus dem Leben ihrer Eltern und Großeltern: Einer der Großväter war ein geschickter Zimmermann, konnte nicht lesen und schreiben, aber gut rechnen. Er war in Amerika gewesen und hatte von dort viel Geld geschickt. Einer Großmutter, die wohl sehr arm war, hatte es in ihren jungen Jahren durch das schadhafte Dach des kleinen Hauses ins Wochenbett geregnet ... Meine Großeltern führten mich dann auch an die Gräber dieser Leute, von denen sie mir erzählt hatten, und der Ahnenbaum über mir tat seine Zweige langsam auf, wurde heller und durchsichtiger.

Als ich ungefähr 14 Jahre alt war, ließen meine Eltern mir von unserem Pfarramt in Reichesdorf einen Ahnenpass ausstellen, zu dem ich mir dann eine für mich übersichtlichere Ahnentafel zeichnete. Jede Lücke kränkte mich, wie mich alles freute, was ich dem Vergessen noch entreißen konnte.

Einer meiner Urgroßväter trat lebendiger aus der nach oben immer dichter werdenden Reihe meiner Ahnen, weil es beim Singen sehr oft geheißen hatte: Dies Liedchen ist vom Meyndt Großvater, das auch und auch das. Ich sang in meiner Kindheit das Lied vom „Feldschätz" (Feldhüter) und das vom Jungen, der das Vöglein mit dem Stein treffen wollte. Erst viel später erkannte ich, was der Urgroßvater in dem Text des angeblichen Kinderliedes versteckt hatte, wenn es darin heißt: „Dann, won ta't fest, det Vijelchen, wird ät dir nemi saingen (Denn, wenn du's fängst, das Vögelein, wird es dir nicht mehr singen)." Dann lernte ich, wenn die Erwachsenen sangen, auch alle seine anderen Lieder langsam kennen.

Wer war dieser Urgroßvater, von dem ich ein gold- und ein rosafarbenes Seidenband an meiner Gitarre hängen hatte? Auf dem einen war in sauberer Stickerei der Zweig einer wilden Rose zu sehn, auf dem ein Vöglein saß, und darunter standen in schräg angeordneten Zeilen die Worte „Das Glück ist ein Vogerl, sehr lieb, aber scheu." Ob er, der dem Glück nicht vertrauen konnte, das Band so anfertigen ließ oder ob er es mit den treffend gewählten Worten geschenkt bekam, wissen wir nicht.

Wer war dieser Urgroßvater, der sich so liebe Melodien und so kluge Liedworte hatte einfallen lassen? - Im Ahnenpass fand ich ihn unter der Nummer 10. Er war der Vater meiner Stolz-Großmutter, die eine geborene Meyndt war, und damit war er auch der Großvater meines Vaters, der ihn leider nicht gekannt hatte, darum setzte ich mich zu Stolz-Großmutter und bat sie, mir von meinem Urgroßvater Georg Meyndt zu erzählen. Über ihr Gesicht ging ein Lächeln und sie begann:

„Mein Vater wurde am 5. Januar 1852 in Birthälm geboren, wo sein Vater Pfarrer war. Seine Mutter war eine geborene Binder aus Schäßburg. Er war dann elf Jahre Notar in Reichesdorf. Den Beruf hatte er verfehlt, weil er sein Studium abbrechen musste, als sein Vater viel zu früh verstarb.

Wir wohnten auf dem Marktplatz Nr.7 und hatten mit meinen sechs Geschwistern eine schöne Kindheit. Wenn mein Vater müde aus der Kanzlei nach Hause kam, rief er: 'Kut, mer saingen int!'Er holte seine Gitarre, und wir sammelten uns im Kreis um ihn. Das waren schöne Stunden, wenn wir singend auf der Haustreppe zusammensaßen und dabei der Nachtigall vom gegenüberliegenden 'Dodderbarch' (Dotterberg) zuhörten. - Sie sang, und wir sangen auch. Wenn Vater ein neues Liedchen beschäftigte, weckte er uns sogar mitten in der Nacht aus dem Schlaf. Dann mussten wir singen, bis er mit Text und Melodie zufrieden war und alle das 'Neue' auswendig konnten.

Auf diese Weise hielten wir die Melodie fest. Vater spielte vortrefflich Gitarre, konnte aber keine Noten schreiben, dies machte sein Freund, der Lehrer und spätere Pfarrer Carl Reich."


Dann sang Großmutter mir das Liedchen „Der Honnef, di wor gor klin, gor klin" (Der Hanf, der war gar klein, gar klein) und verriet mir, dass sie das besungene Mädchen sei. Ihr Vater habe sich, als ihr die Fäden beim Weben rissen, mit der Gitarre an den Webstuhl gestellt, und hätte sie mit dem gerade entstandenen Liedchen geneckt und erheitert.

Unter Lachen erzählte sie dann weiter;

„In einem strengen Winter mit viel Schnee waren wir vier Schwestern - wir waren vier Mädchen und drei Jungen - nach Kopisch zu einer Hochzeit eingeladen. Vater machte den Schlitten bereit und spannte die Pferde vor. Nach einer herrlichen Fahrt kamen wir dort an und hatten bis nächsten Morgen auf dem Fest viel Spaß. Übermüdet machten wir uns auf die Heimfahrt. Unter der steilen 'Hulla' zwischen Kopisch und Birthälm stauchte sich der Schlitten in einem tiefen Rinnsal, das quer über die Straße verlief und blieb stecken, bis die Pferde ruckartig anzogen und wir vier von unseren Sitzen nach rückwärts in den Schlitten kippten. Die weiten Röcke stülpten sich über unsere Köpfe; wir schrieen laut, um Vater auf unsere missliche Lage aufmerksam zu machen, der hielt aber erst an, nachdem er ganz Birthälm unsere acht Beine in den spitzenbesetzten langen Unterhosen gezeigt hatte. Dann schaute er gelassen wie von ungefähr um und fragte: 'Wot wallt ir, ir Känd? (Was wollt ihr, ihr Kinder?)'
Es hat aber nicht nur Heiteres gegeben. Einmal war unsere gute Mutter arg krank, wir waren sehr in Sorge um sie. Damals schrieb Vater 'Motterharz, ta Adelstin'. Wir standen alle um ihr Bett, sangen es und sie wurde wieder gesund.


Ich war die älteste unter uns Geschwistern, habe oft auf die Kleinen aufpassen und der Mutter helfen müssen. Bei uns war es aber immer gemütlich. "

Dann überlegte Großmutter und ich fürchtete, dass sie nicht mehr weiter erzählen wolle, aber sie fuhr nach einer Weile wieder fort:

„Meine reichen Schwiegereltern hatten für ihren Sohn, deinen Großvater, die Tochter eines wohlhabenden Bauern ausgesucht, er hat sich aber für mich entschlossen und sagte: 'In dem Meyndt-Haus fühle ich mich wohler.' „

Damit Schloss Großmutter.

Als ich in meiner Kindheit einmal mit meinem Vater nach Mediasch fuhr, hielt er unweit von der Feldwegabzweigung nach Meschen plötzlich an und deutete nach rechts vom Weg weg: „Hier stand die Mühle meines Meyndt Großvaters. Er hatte sie hierher gebaut, damit sie von Meschen, Niemesch, Hetzeldorf und Reichesdorf leichter erreichbar wäre. Die Mühle ging aber trotzdem nicht. Sie wurde verkauft, abgerissen und in Reichesdorf wieder aufgebaut.

Für das Geschäfteln hatte Großvater zwei linke Hände und dazu noch viel Pech." Sein Ausspruch „Wäre ich Hutmacher, kämen alle Leute sicher ohne Köpfe auf die Welt", blieb in der Familie erhalten. Das Erwirtschaften war nicht seine Stärke, was ihm bei vielen Reichesdorfern viel Tadel einbrachte: „Hätte er doch lieber weniger gesungen und sich mehr nach der Wirtschaft gesehen", hatte eine böse Zunge gesagt. Dies hörte seine kleine Enkelin, die heute 90jährige Schwester meines Vaters, Hanni Weber, geb. Stolz. Sie hatte sich damals sehr darüber geärgert und konnte nie vergessen, daß man so über ihren verstorbenen Großvater sprach. Dies erzählte sie mir vor wenigen Wochen.

Was von ihm gefragt war, das waren seine Lieder. Sie trugen ihm aber nicht einmal Ehre ein, denn es wusste kaum jemand, wer ihr Verfasser war. - Die Zeit hat schon manchem Ding erst irgendwann seinen wahren Wert zugeordnet. -

Das Schicksal wollte es, daß mir auch von meinen erfolgreichsten Vorvätern kein einziges Stück erhalten blieb, und einen bleibenden Wert vererbte mir gerade der, den man als Versager verurteilt hatte, der Meyndt-Urgroßvater: Von ihm besitze ich die 30 Lieder, die sein Freund, der Lehrer Carl Reich, kurz vor dem l. Weltkrieg gesammelt in dem kleinen Heftchen „Kut, mer sängen int, vun den Liedern des Georg Meyndt!" - elf Jahre nach dessen Tod - herausgab. (Im folgenden geben wir diese Lieder hier wieder.) Meyndt wurde in seinem Bestreben, die Jugend zu fördern und zu erziehen, von den damaligen Lehrern Michael Offner, Carl Reich und Hans Morganday zuverlässig unterstützt.

Von Carl Reich, dem Lehrer und Pfarrer, blieb ein Aufsatz über Georg Meyndt erhalten, den er bei der Herausgabe des genannten Liederbüchleins in einem Kalender veröffentlichte. Hier erfahren wir, daß sich Georg Meyndts Mundartlieder unbegreiflich rasch im Sachsenland verbreiteten, trotzdem sie bis 1914 noch nie gedruckt oder sonst wie veröffentlicht worden war. Letzteres führt Carl Reich auf die übergroße Bescheidenheit G. Meyndts zurück. Dann lobt er in ihm den Mann und Notar, der am Aufschwung seiner Gemeinde interessiert war und schreibt:

„ Wo er nur konnte, hat er das Interesse für Fortschritt und Bildung in jeder Richtung geweckt und kräftig gefördert, und was das Schönste war, war das Bestreben, alles zu verinnerlichen; das Herz mußte dabei sein, sonst galt es nichts. ... Es war Meyndt eine Herzenssache, daß Pfarrer, Lehrer, Notar und alle, die in einer Dorfgemeinschaft an der Erziehung des Volkes Anteil haben, die Jugend günstig beeinflussen. Geselligkeit erschienen ihm als das beste Mittel. Freie Zusammenkünfte zu Spiel und Gesang, kleinere und größere Ausflüge in die Umgebung, Fahrten ins Gebirge, ins Burzenland, nach Broos, ja in die Landeshauptstadt u.s.w. ... Und bei allem war er der Leiter, ohne daß es die anderen recht merkten oder zu würdigen verstanden. ... Wie sein Wort, sein Blick auf die einzelnen wirkte, vermag nur einer zu sagen, der's gesehn. ..."

An nichts ist Meyndt teilnamslos vorübergegangen, woran unser Volksleben hängt: Sprache, Sitte, Kleidung und kirchliches Leben.

Reich erinnert sich weiter:

„ Wenn ich mir ihn vorstelle mit der Gitarre unter dem Arm im Kreise seiner Familie nach schwerer Tagesarbeit mit seiner schönen, weichen Baritonstimme ein Lied singend oder im Kreise der Jugend, die sich um ihn scharte, wie Kinder um einen Vater, oder wie er gelegentlich mit stets jugendlicher Begeisterung redete (er war ein sehr guter Redner), immer sehe ich in ihm einen Mann, der im kleinen Kreise Großes getan, nicht mit Gold und Silber, sondern mit seinen lebendigen Darstellungen in Wort, Lied und Leben, daß diese Welt kein Jammertal sei und das Leben darin keine Last, sondern vielmehr ein schöner Garten Gottes und das Leben und die Arbeit darin Lust und Freude für jeden, der's nur recht anzufangen wüßte. "

Kürzlich erst entdeckte ich in der weiteren Familie ein handgeschriebenes Büchlein aus dem Jahr 1899. Darin hat Pfarrer C. Reich seinem Freund Meyndt (der selber keine Noten schreiben konnte) mit viel Sorgfalt 12 von dessen Liedern als Geschenk ein- und zweistimmig aufgeschrieben. Dies wäre weiter nichts Außergewöhnliches, fände sich hier nicht auch eine Widmung in der es heißt:

„Wenn je Unmut und Ungeduld über das Trachten der Menschen quälen den strebsamen Geist, der rascher vorwärts gewollt, dann durchwandere dies Gärtchen, das du dir selber gepflanzet, und gedenke der Stunden, wo du es mit Freude geschaffen, dich selber ehrend, und andere erfreuend, beglückend. "

Hier ist deutlich herauszulesen, daß Meyndts strebsamer Geist rascher vorwärts zu kommen verlangte, als es ihm die Menschen seiner Umgebung gestatteten, und daß ihn darüber Unmut und Ungeduld gequält haben. C. Reich kennt seinen Freund, den Liederdichter, und weiß, wie dem geholfen werden kann: ... „durchwandere das Gärtchen, das du dir selbst gepflanzet...", berät er ihn freundschaftlich. Die Widmung schließt er mit:

„Dem hochverehrten und geschätzten Gönner und Freund Georg Meyndt zur freundlichen Erinnerung verehrt von C. R.
Reichesdorf, am 24. April 1899"

So aufschlussreich die Aussagen von Pfarrer C. Reich auch sind, wollte ich, um noch mehr über meinen Urgroßvater und sein Schaffen zu erfahren, seine Lieder genauer anschauen und die Wortinhalte und Melodien sprechen lassen. Ich war neugierig zu erfahren, in welchem unserer siebenbürgischen Dialekte er seine Texte abgefasst hat, nachdem seine Mutter eine Schäßburgerin war und sein Vater mit der Familie in Mediasch, Birthälm, Irmesch, Niemesch und Großkopisch gelebt hat. Darum entschloß ich mich, alle seine Liedtexte, die C. Reich im Hermannstädter Dialekt aufgeschrieben hat, nach Reimen zu untersuchen, die sich im Hermannstädter Dialekt nicht reimen, wohl aber in dem der Reichesdorfer, und ich wurde bald fündig. Hier zwei der schlagenden Beweise dafür, daß er reichesdorferisch dachte und seine Texte im Reichesdorfer Dialekt schrieb, auch wenn es gar nicht einfach war, diese lautgerecht zu Papier zu bringen:

In dem Lied „fromm Wänsch" heißt es in der ersten Strophe:

... Do wil ech mät dir streifen des Owends durch de A'n (Auen),
dech un der Hund begreifen, dir tro an d'Ugen sän.

Auf „An" (Auen) reimt sich nur das reichesdorfer „san", aber nicht „sän", wie es der Hermannstädter haben muß.

Im Lied „De Verkaunten" (Die Verkannten) finden wir in der fünften Strophe den Nicht- Reim:

... lot mech, und drot et stall uch räch;
et git mir glat esi wä ech.

Im Reichesdorfer Dialekt haben wir dafür aber den echten Reim:

... leßt mech, und dröt et stall uch räch,
et gyit mir glat esi wa ach.

Daß ich in meinem Folgern richtig liege, bestätigt mir auch der Literaturkritiker Rudolf Hörler, der 1915 schreibt, daß Meyndts Singspiele im Reichesdorfer Dialekt, der sich dem Städtischen nähert, abgefaßt sind. Dazu fand ich noch auf dem Deckblatt von „Äuß aser Gemin" tatsächlich den Vermerk „Rechesdirferesch". - Die beiden Singspiele konnte ich erst vor kurzem einsehen - . „Äuß aser Gemin" wurde 1901 in Hermannstadt von W. Krafft verlegt; „Sangtig am Ären" druckte Joh. Gürtler 1902 im Hermannstädter Dialekt auch in Hermannstadt.

Die eben erwähnte Sucharbeit lohnte sich doppelt, denn ich entdeckte dabei auch das, was ich unter den Reimen eine Perle nenne:

Daß Meyndt sehr natürliche und im Rhythmus perfekte Reime schrieb, wußte ich; daß er sie aber auch noch besonders kunstvoll zusammenbauen konnte, war mir unter dem Singen noch nicht aufgefallen.

Hier das Beispiel zu

NOR LASTICH, TA JANGET BLAT!
1.
 Nor lastich, ta janget Blat!

Net loß dech und haf et gat;  1
Det Liewen, daut weist dir uch ist de Zoint. 2
Et lot täschent moren uch het  3
äng en ainem long Zet. 3
Nor Narren, da Sätzen ent drimen, 0
und worden af daut, wat der Moren broint. 2
2.
grum 1
Zum 1
fron 2
grued  3
huet 3
Keder  0
gedon  2
3.
fläck  1
zeräck  1
vergien  2
geliert  3
probiert  3
sen wallen  0
Hien  2


Hier reimen sich die Zeilenenden, wie es die Ziffern angeben.

Danach habe ich die 30 Lieder nach ihren Inhalten angeschaut. Sie sind alle aus Meyndts nächstem Umfeld gegriffen:

• aus der Familie,
• dem Dorfleben,
• dem Zwischenmenschlichen und
• der Bauemarbeit.

Was er erlebte, verarbeitete er zu Liedern.

7 haben erzieherischen Wert,
2 erzählen aus seiner eigenen Familie,
7 besingen die Liebe,
4 behandeln das Thema Untreue,
4 sind Lieder, die man an bestimmten Festen sang,
1 erzählt von der Bauemarbeit und dem Regenwetter,
3 enthalten Lebensweisheiten,
2 sprechen von der Bank und dem Brunnen im Dorf.

Die Themen überschneiden sich natürlich auch.
Somit behandeln die Lieder Georg Meyndts all das, was sich im Dorf regte, freute, sehnte, liebte, enttäuschte, mühte und ängstigte.
Im Lied „Ech hat e Medchen ist begent" (Ich hatte ein Mädchen einst begegnet) besingt er die junge Liebe des Predigers Simon Bruckner und dessen Braut Anna Kloos, und jeder im Dorf hätte zu der Zeit zu jedem der Lieder noch eine wahre Geschichte zu erzählen gewußt. Jedes dieser Lieder ist ein rundes Ganzes, Meyndts künstlerische Fähigkeit verhalf ihnen dazu. Er schuf alle Texte und Melodien selbst, brauchte seine Liedworte nicht von anderen Musikern vertonen zu lassen oder bei anderen Leuten Texte zu seinen Melodien zu suchen. Eine Ausnahme macht „Et wor e Metchen am olden Lund". Hier schrieb er die Worte zu einer Melodie von C.M. v. Weber.
Bei all seinen übrigen Liedern kann es kaum anders gewesen sein, als daß Liedworte und Melodie zugleich entstanden. Ich glaube nicht, daß er zuerst dichtete und dann komponierte, oder umgekehrt. Dazu sind die beiden Teile zu sehr miteinander verwachsen und als Ganzes geschaffen. Auch den Text „Sanktichglock" (Sonntagsglocke) hat er mit einer eigenen Melodie versehn. Heute ist aber die Vertonung von Hermann Kirchner die bekanntere geblieben.

Im Lied „Der Honnef, di wor gor klin, gor klin" ist es ihm großartig gelungen, Text und Melodie dem Rhythmus des Webstuhles anzugleichen: Der Schemeltritt, das Durchschießen des Schiffchens und der doppelte Kammanschlag passen genau zum Vierertakt, in dem wir es daheim gesungen haben. Nun muß ich aber feststellen, daß C. Reich dies Liedchen im s/g Takt aufgeschrieben hat. Es macht sich auch als kleiner Walzer gut, paßt dann aber nicht mehr zu den Bewegungen am Webstuhl, wie Meyndt es seiner Tochter zur Arbeit gesungen hat. Es gefiel uns allen so gut, wenn Großmutter unter dem Singen die Bewegungen mit Händen und Füßen nachspielte.

Betrachten wir das Lied „Ech sahn dech am Wachen, ech sahn dech am Drum", fällt uns wieder auf, wie sehr Text und Melodie ein Ganzes sind. Hier klagen sie gemeinsam. Sie ergänzen sich in so hohem Maß, daß die Dramatik dem Sänger und Zuhörer schon mit den ersten Takten übermittelt wird. Unebenheiten zwischen Silben des Textes und dem Rhythmus der Melodie gibt es bei Meyndt nicht; und man kann nicht sagen, ob sich die Melodie den Worten oder die Worte der Melodie angleichen wollen.

Mit wieviel Ernst die getragene Tonfolge im „Motterharz" (Mutterherz) den edlen Text begleitet; wieviel Fröhlichkeit die Musik auf die heiteren Worte „Af der Gaß, do stit en Bank" versprüht; wie natürlich die gesungene Frage bleibt, wenn es heißt „Wat mauchst ta, Jang, mät dener Kah?" (Was machst du. Junge, mit deiner Kuh?).

Bei „Et sang en klinzich Vijelchen" scheint mir, daß in der ersten Strophe die Melodie zart und lieblich schon vor dem Text das Bild des Vögleins im Pliederbusch malt; dafür darf am Anfang der zweiten Strophe das Wort hervortreten und ernst warnen: Löß sen, men Jang! Hier gelingt es dem Text, die Melodie umzufärben: sie verliert das Liebliche und hilft mit, ernst zu warnen. - Dies wird wohl auch Sache der eigenen Vorstellung und des Vertrages sein.

Meyndts Melodien gehen leicht ins Ohr, ohne gewöhnlich zu sein. Sie finden immer wieder unerwartet eigene Wendungen, bleiben aber schlicht. Manche Stellen erinnern an anspruchsvolle Kinderlieder. Alle Lieder haben eigene Motive, was eine gewaltige Musikalität verrät. Seine Texte verfolgen aussagekräftig und inhaltsschwer das gleiche Ziel, ohne sich zu wiederholen.

Georg Meyndt war auch für die Lieder anderer Komponisten und Dichter aufgeschlossen. Er war es, der den „Hontertstroch" (Holderstrauch) des Gymnasiallehrers und Pfarrers Carl Römer und des Musiklehrers Hermann Kirchner mit der Reichesdorfer Jugend zuerst sang. Sie hoben das Lied aus der Taufe und nahmen es im gleichen Jahr mit auf ihre Sängerfahrt ins Burzenland. Von dieser Reise erzählt uns ein schönes Foto, das die Gruppe der Sänger vorstellt, die heute aber schon keiner mehr kennt. (Bis jetzt konnten unter den 52 Personen nur C. Reich und G. Meyndt identifiziert werden.)


                                    Sängerfahrt ins Burzenland

So begann der „Hontertstroch" 1897 - vor genau 100 Jahren - seine Weltreise unter dem Taktstock eines Reichesdorfers, G. Meyndt, und gesungen von Reichesdorfern.

Im Lexikon der Siebenbürger Sachsen wird auf den Seiten 249 und 336 festgehalten: „ Georg Meyndt hat zusammen mit Hermann Kirchner dem Mundartlied in Siebenbürgen zu einer neuen Blüte verholfen."

Ich wollte auch wissen, ob G. Meyndt die Lieder zu seinen beiden Singspielen „Sanktich am Aren" und „Aus aser Gemin" dem Theater zuliebe komponierte oder ob er umgekehrt den Theatertext der Lieder wegen entstehen ließ. Diese Frage war fast beantwortet, als ich endlich das Singspiel „Äuß aser Gemin" in den Händen hielt und feststellen durfte, daß es 1901 gedruckt wurde und darin neun seiner Lieder - leider ohne Noten - vorkommen; in „Säungdich am Ären" aus 1902, im Hermannstädter Dialekt geschrieben, sind wieder sechs seiner mir bekannten sächsichen Lieder enthalten.
Demnach entstanden zuerst die Lieder, die er später in den beiden Singspielen zusammenfaßte.

In „Sanktich am Ären" finden sich noch zwei weitere Lieder, mit denen sich ein neues Rätsel auftut. Es handelt sich um
„Wer kühn nach dem Ziel mit Wagmut strebt" und „Wie schön ist das ländliche Leben",
die hochdeutsch abgefasst, das eine vom Studenten und das andere von den Mädchen und Burschen gesungen wird. Ich habe den vollen Text vorliegen, die Noten fehlen. Nun kann ich aber nicht sagen, ob diese beiden Lieder in Hochdeutsch auch aus der Feder von G. Meyndt stammen. Ein anderer Verfasser wird allerdings nicht genannt. Diese beiden Singspiele blieben leider die einzigen. Sie wurden, wie schon erwähnt, 1901 und 1902 gedruckt.

Im Jahr 1903 verstarb der Liederdichter am 17. Dezember in Reichesdorf, wo er auch beerdigt wurde. Sein Grab liegt auf dem alten Friedhof und ist nach der Beschreibung von Grete Untch, einer seiner Enkelinnen, leicht zu finden:
Den Hauptweg hinauf bis ungefähr 10 rn vor der alten Linde, vor der der große. schwarze Marmorstein meiner Stolz- Großväter rechts über dem Weg steht. Hier führt links ein schmaler Terrassenweg zwischen die Gräberreihen, den gehen wir dem Kirchtal zu, bis wir vor einer kleinen Senke stehen, wo das Grab im Sommer im hohen Gras gesucht werden muß.
Der Stein wurde mutwillig umgestoßen, danach von den Angehörigen aufgerichtet und im letzten Sommer schrieb Herr Oswald Kessler den Namen Georg Meyndts, sein Geburts- und Sterbedatum neu, und Kathi David schmückte das Grab mit frischen Feldblumen. (Foto - Hier ruht auf dem alten Friedhof von Reichesdorf der Liederdichter G. Meyndt.)

Mit der Herausgabe des Liederbüchleins „Kut, mir sängen int vun den Liedern des Georg Meyndt" wollte C. Reich seinem geschätzten Freund offensichtlich auch ein Denkmal setzen, denn er schreibt in seinem Aufsatz:

„ ... Er ist nicht tot, er lebt fort in seinen Liedern. ... Nun aber erscheinen sie, daß jeder sie lesen und nach Belieben auch singen kann. Sie sollen Zeugnis geben, daß wir seiner in Ehren gedenken."

Was bleibt aber heute in diesem Sinne zu sagen übrig?
- Ein kurzes Erinnern, und dann sehn wir weiter hilflos dem sinkenden Schiff zu. Wer singt noch sächsische Lieder? Wen freut noch das „Brännchen um gränen Rin"? Wer will noch wissen, wer der „Feldschätz" ist und was sein Wort bedeutet? - Vielleicht ist es die Freude, die wir erleben, wenn wir uns alter Werte erinnern dürfen, vielleicht lassen wir diese Dinge darum für Augenblicke gerne wieder aufleben. Wir besinnen uns mit Stolz eines Kulturgutes, und dies richtet uns in unserer Zerschlagenheit wieder auf.
So ist Georg Meyndt nicht tot, seine Lieder erfahren heute einen neuen, ganz eigenen und hohen Wert.

Johanna Leonhardt, geb. Stolz (+15.12.2006) – eine Urenkelin des Lieddichters

Zu den Liedern von Georg Meyndt
"Kut mer sängen int"


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